SAC Sektion Zermatt
Wanderwoche des SAC Zermatt für Senioren und -anwärter, im Anstieg ca. 6000 Hm (ohne Breithorn)
7.50 Uhr. Regenwolken sperren die Sicht zu Graten und Gipfeln und so wird das Tagesziel Oberrothorn kurzfristig abgesetzt. Wer noch kein Billet hat, der kauft eines bei Cecil in der Talstation Sunnegga, aber nur bis Blauherd. Dort holen wir die Wolken ein und rüsten uns mit Schutzkleidern und Schirmen. Über die steilen End-und Seitenmoränen des weit zurück gewichenen Findelgletschers erreichen wir das Findeltriftje, mit anderem Namen «Das verlorene Tal». Das ist ein kleines grünes Flachmoor, eingekeilt zwischen die Seitenmoräne des Findelgletschers und die Fluh der Triftkumme, ein Bächlein mäandriert. Auf der Fluh sucht ein Rudel Gemsen nach Futter. Wohlschmeckende Moosbeeren und nicht genießbare Rauschbeeren reizen unsere Geschmacksnerven. Zur Idylle fehlt nur der Regenbogen.
Marlis und Pius begrüßen uns im Berghüs Grünsee. In der Heizzentrale trocknen wir unsere nasse Wäsche und Schuhe. Zum Abendessen gibt es eine währschafte Tomatensuppe, Pommes frites und Geschnetzeltes, zum Nachtisch Apfelstrudel mit Vanillesauce und zwischendurch als Amuse-Gueule Carpaccio vom Lamm und einen Mocken vom Steinbock (ungewohnter Geschmack). Tief und fest schlafen wir in den Federbetten.
7.30 Uhr. Drei aus der Gruppe machen sich mit Priska als Führerin zu Fuß auf nach Rotenboden. Der Regen hat aufgehört. Mit gelegentlicher Sicht auf die Kelle-Piste geht es auf schmalen Steigen hoch und immer höher. Die Gugla, eine für das Winterende in Verbindung mit dem Sonnenaufgang wichtige Orientierungsmarke der Einwohner, grüßt aus der Nähe. Die Gamsrudel auf den Gegenhängen wissen offensichtlich, dass die Jagd erst in der nächsten Woche aufgeht, ignorieren uns und heben nicht einmal die Häupter. Ein Bagger und ein Minibagger arbeiten auf der Skipiste, die Weite schluckt alle Geräusche. In Höhe der Bergstation Gifthittli queren wir die Piste und wandern in etwa auf der Höhenschichtlinie zur Station Rotenboden.
Die anderen haben sich mit dem Frühstück Zeit gelassen, wandern auf schattigen Wegen nach Riffelalp und fahren mit der GGB nach Rotenboden. Hier übernimmt jeder seine vom «Sherpa» deponierten Steigeisen. Bei herrlichem Sonnenschein wandern wir in Richtung Gornergletscher zum Schtok, immer dem Monte Rosa entgegen, vorbei an zwei wiederkäuenden und sonst desinteressierten Kolonien von Steinböcken mit ein paar kapitalen Trophäenträgern. Die Ablation hat den Weg von den Felsen zum Gletscher wieder einmal geändert: auf zwei bequemen Leitern mit insgesamt fünfzig Sprossen steigen wir ab zur Holzbrücke, die den tosenden Gletscherbach überspannt. Auf der anderen Seite ziehen wir die Steigeisen an und folgen den Stangen, zuerst über den südlichen Teil des Gletschers, queren die mächtige Mittelmoräne und gehen weiter nach Süden zur unteren Blattja. Steigeisendepot. Der alte Hüttenweg ist seit der Sprengung der Betempshütte unbrauchbar geworden, der neue führt auf der Seitenmoräne ca. 300 Hm hoch bis zu einem grossen Felsen, zweigt dann nach links ab und erreicht nach kurzer Zeit einen künstlichen Bergkristall, die neue Monte Rosahütte. 1250 Hm im Anstieg und 650 Hm im Abstieg, das war heute genug für meine Konstitution.
Wir beziehen die grosszügigen und luftigen Lager mit Duvets und Kopfkissen. Die Hütte ist voll belegt. Der Service klappt vorzüglich. Es gibt Tomatensuppe, einen Salatteller, Rindfleisch mit Kartoffelstock und als Nachtisch Baiser mit Sahne.
Die erste Tagwacht war um 2.00 Uhr, für unseren Abstieg reicht 7 Uhr. Frühstück vom Buffet und Rückmarsch nach Rotenboden. Dort teilt sich die Gruppe. Lilian eilt zur Arbeit, zwei fahren ab nach Zermatt um Besorgungen zu machen, einer wandert über Gagenhaupt und Gletschergarten und der Hauptharst kommt per GGB und Spazierweg. Um 15.30 Uhr treffen wir uns wieder in Furi. Kurze Rast um Fahrkarten zu besorgen entweder am nicht Bargeld-fähigen Automaten oder beim Kondukteur und dann ab via Gondel- und Seilbahn nach Klein Matterhorn. Die Sicht vom Gipfel ist hell und klar: um die Wette strahlen in der Runde der Mont Blanc über die Grajischen Alpen, der Monte Viso im Dunst der Poebene zu den Graten der Monte Rosagruppe und den Felsriesen im Westen.
Im Stockwerk über dem Restaurant Matterhorn glacier paradise sind unsere Quartiere, geräumige Zimmer mit je vier Stockbetten, Waschraum und Toiletten und ein grosser Speisesaal mit einer Einbauküche. Wir sind heute Selbstversorger. Mit Marianne, Priska und Anja ist das kein Problem. Jeder/m wird eine Schale mit ca. ein Kilogramm(!) Spaghetti wahlweise mit Fleisch und/oder Tomaten-Sauce zugeteilt und zum Nachtisch gibt es reichlich Zwetschgen-und Mürbteigkuchen, hergestellt und gestiftet von Anja. Für das Mahl hatten sich vier unserer Alpinisten in Form und Stimmung gebracht, indem Sie vorher die Gobba di Rollin stürmten und dabei der höchsten Trafostation der Schweiz einen Besuch abstatteten.
Auf mehr als 3900 m kommt der Schlaf nicht wie gewohnt. Fünf von uns steigen unter der Führung von Alfons bei leichtem Wind aber sonst idealen Verhältnissen aufs Breithorn. Eine, so geht das ondit, habe sich zehn Meter unter dem Gipfel auf den Boden gelegt und jeden weiteren Schritt vor- und rückwärts verweigert. Der vertrauliche und aufmunternde Zuspruch von Alfons bringt sie schließlich heil zum Gipfel und zurück zum Frühstückstisch. Das Frühstück war am Abend vorher bereitgestellt worden. Sobald der Heißwasser-Boiler wieder läuft, sind die Hungrigen bald gesättigt und wir fahren mit der Seilbahn ab nach Trockener Steg.
Der Weg führt uns weiter über das Vorfeld des oberen Furgggletschers in Richtung Hotel Schwarzsee. Auf den ersten Blick ein wenig aufregender Spaziergang, stetig bergab und im Schatten der Matterhorn Ostwand. Erinnerungsschwer, weil der Gletscher soweit abgeschmolzen ist, weil bis zur Übersteigung des Breuljochs und dem dort zu erwartenden powder-snow noch Monate vergehen werden und weil es auf der Südseite einmal die Furggen-Seilbahn gab, die die Traumabfahrten erschloss. Aber, da stehen Tafeln im Geröll, die in kürzester Kürze die geologischen Gegebenheiten (Mineralien, Gesteine) und Theorien über Decken, Platten-Tektonik, Fazies-Korrelationen der Zermatt Ophiolith-Mélange ansprechen. Ergänzende Stichworte sind: Verschluckung des süd-penninischen Piemont-Troges, Subduktion der ozeanischen Lithosphäre, Briançonnais Fazies, Sedimente aus Jura und Kreide, Bündnerschiefer, Serpentinite, Prasinite und Gabbro´. Zufallsfund ist ein Hochdruck-Hochtemperatur-Gestein der Eklogit-Reihe, zu erkennen an der granitischen Zusammensetzung mit Granateinschlüssen und entstanden im Eoalpin. Eine hochinteressante Thematik auf einem eher langweiligen Weg! Silja, ihre noch kleine Familie samt dem Rhodesian dog begleiten uns zum Schwarzsee. Wir genießen dort alle Annehmlichkeiten des Hotels. Zum Abendessen gibt es einen Walliserteller, ein herzhaftes Raclette à la discretion und einen Coup mit Eis und Früchten.
Nach dem Frühstück und bei schönem Wetter geht es aufwärts zum Hotel Bélvèdere. Die Rucksäcke deponieren wir in den Felsen nahe der Abzweigung in Richtung Stafelalp. Erleichtert geht es nun die Kehren flink hinauf. Die vereinte Mannschaft des Hotels schält Kartoffeln. Wir genehmigen uns einen vorzüglichen Grog und zwei Matterhornshirts als Souvenir, bevor uns der Weg zurück zum Depot, über Gufer in die Schochna und auf die neuerbaute Terrasse der Stafelalp führt. Von der Patrona persönlich begrüßt, sammeln wir Kräfte für den weiten Weg zur Schönbiellhütte. Auf der Baustraße der Grand Dixence geht es über die Wasserfassung, Klärbecken und die Moräne des Zmuttgletschers zum Revisionsstollen. Am Fuß des Schönen Biels schaltet Priska in den kleinsten Gang.
Da wo groß angeschrieben ist «obligatoire sac à viande» legen wir unsere Hüttenschlafsäcke und Rucksäcke ab. Franziska und Benjamin sind heute die Gerants. Es gibt Gemüsesuppe, Schweinsrippjini mit Rotkraut und Kartoffeln, zum Nachtisch Vanillepudding. Die Hütte ist gut besucht. Als wir zu singen beginnen, kommt Stimmung auf. «Männer von Tanna mit Scheicha wia Speicha … WENN … ». Priska und ihre glockenhelle Stimme nimmt uns mit auf die Welle. «Mäxchen», das mit den zwei Würfeln, ist mir bis jetzt noch nie begegnet, aber nachdem zwei verloren haben, steht es remis. Es ist wie in alten Zeiten, auf Socken ins Lager schleichen, die Schläfer nicht mit LED blenden, mit Heinrich eine Matratze teilen, nach Frischluft schnappen und beim nächtlichen Ausflug feststellen, dass die Luft warm, der Himmel sternklar und man am besten im Freien geschlafen hätte.
Frühstück gibt es ab sieben Uhr und bald verlassen wir die gastliche Hütte in Richtung Hohbalmen und Hotel du Trift. Der Aufstieg vom Arbdach auf die Höhe zieht sich. Wir erreichen Hohlicht und es gibt eine lange Trink-, Ess- und Schlafpause. Wir bestaunen die gewaltige Nordwand des Horu, die Dent Herens mit ihren Hängegletschern und die Wolkenspiele. Über uns kreist im Aufwind ein mächtiger Steinadler von einem Sperber gehasst und fliegt schließlich in Richtung Untergabelhorn davon. Leichten Fußes geht es bergab. Hugo, der Wirt des Hotel du Trift, sieht unsere Gruppe von weitem und begrüßt uns mit den Klängen des Alphorns. In der Talebene gibt es direkt am Triftbach eine kleine Sandbank. Ein paar Bikinimädchen und andere genießen die warme Sonne und das kalte Wasser des Bergbachs.
Froh, die Rucksäcke nur noch ein einziges mal hinauf, nämlich in die Zimmer tragen zu müssen, lassen wir uns auf der Terrasse Eistee, Bier, Johannisberg, Weißen Dôle und Fabiennes frischen Apfelkuchen schmecken. Das Hotel wurde um 1900 erbaut. Es hat zwar keine Sterne, aber es hat den Charme der vergangenen Jahrzehnte bewahrt. Zimmer und Betten sind einfach und sehr sauber, in den Federbetten schläft es sich besonders gut. Der Waschraum ist zweckmäßig und die Dusche angenehm. Der Giltsteinofen im Speisesaal sorgt für eine wohlige Wärme und das Andachtsbild aus der nahen Kapelle ziert die Wand. Gut tut die Gastfreundschaft der Wirtsleute Fabienne und Hugo. Zum Abendessen bereiten sie alles frisch und vorzüglich zu: Gemüsesuppe, frischen Blattsalat, Kartoffelstock mit Blattspinat, Hackbraten und zum Dessert Zitronenkuchen mit Vanillesauce. Als gegen 19 Uhr die Abendsonne das Monte Rosamassiv in ein durchscheinendes Rosa taucht, lädt uns Hugo auf die Terrasse. Der Horizont glüht vom Liskamm bis zum Rimpfischhorn.
Die Qualität des Abendessens wird im Frühstück fortgesetzt. Die Rucksäcke bleiben im Hotel. Über die Triftkumme, dann auf den Grat wandern wir in langen Schritten auf das Wisshorn. Auf dem Weg stösst Edi wieder zu uns. Das Wisshorn ist zwar nicht weiß. Sein Name würde besser zum nächsten, auf der Topokarte nicht benannten, im Verzeichnis der Zermatter Flurnamen Blattschugge genannten Berg passen. Die Aussicht ist prächtig. Durch die Lawinenverbauungen und Triftweng wandern wir zurück zum Hotel. Wir machen Kassensturz, stoßen auf den heutigen Geburtstag von Claire an, danken unseren Führern Priska und Alfons für die sachkundige und angemessene Führung und nehmen Abschied.