SAC Sektion Zermatt
Die vorgesehene zweitägige Wanderung auf die Dents du Midi musste infolge schlechten Wetters und zuviel Schnees abgesagt werden. Als Ersatz in Frage kamen das Folluhoru oberhalb Rosswald oder das Seehorn jenseits des Simplonpasses. Sollte es auch auf dem Folluhoru zuviel Schnee haben, bliebe uns immer noch das Seehorn, da südlich des Simplonpasses zur Zeit bestimmt kein Schnee liegen würde. Schliesslich fiel die Wahl auch aufs Seehorn.
Jetzt aber konnten wir die Wanderung bei herrlichstem Wetter antreten. Deli und ich waren die einzigen beiden aus der Üsserschwyz Angereisten. Auf dem Parkplatz beim Bahnhof Visp wurden wir denn auch herzlich von Edi und den anderen aus Zermatt bewillkommt.
In rassigem Tempo gings die Simplonstrasse hoch, über den eleganten Ganterviadukt der Passhöhe entgegen. Bei einer Baustelle in einer der zahlreichen Lawinenschutzgallerien mussten wir ziemlich lange warten: Die Stützen der Gallerien erhalten einen dickeren Betonmantel zum besseren Schutze der Armierungseisen und teilweise auch noch zusätzliche Stahlbewehrungen, was eine aufwändige und Platz benötigende Angelegenheit ist. Daher geht es nicht ohne Einbahnverkehr. Die Bauwerke müssen unbedingt halten und dauerfest sein, wenn der Simplonpass ganzjährig befahrbar sein soll. Eindrücklich waren für mich sodann die Riesenwände der Gondoschlucht.
Als Gondo selbst in Sicht kam, wurde ich unmittelbar an die Murgangkatastrophe im Jahre 2000 erinnert. Die Erdmassen hatten damals einen ganzen Dorfteil weggerissen und in die hochgehende Doveria geschwemmt. 13 Menschen mussten dabei ihr Leben lassen. Heute sind die Schäden behoben. Kurz vor der Zollstation befindet sich die Abzweigung nach Zwischbergen. Nach der Überquerung der Doveria windet sich das asphaltierte Strässchen in engen Kehren auf dem Gondo gegenüberliegenden Talhang hoch, um schliesslich ins Zwischbergental einzubiegen. Vorbei an einem Stauwehr und einem Gasthaus brachte uns dieses Strässchen immer höher.
An einem grösseren Ausstellplatz stiegen wir aus und machten uns für die Wanderung bereit. Wir befanden uns auf gut 1600m Meereshöhe. Zunächst führte uns der Pfad einige Windungen hinunter, dann in lustvollem Auf- und Ab, kleine Bäche überquerend durch lichten Lärchenwald. Über den Baumwipfeln ein tiefblauer Himmel! So erreichten wir nach einiger Zeit den bekannten Stockalperweg. In mässiger Steigung brachte uns dieser hoch zur „Furggu“ (1872m), dem Übergang von Zwischbergen nach Gabi. Linkerhand bemerkte ich anmutige Alpweiden mit den zugehörigen Sennhütten. Auf der Furggu aber empfing uns ein schneidend kalter Wind. Die meisten von uns flüchteten sich hinter ein Betonhäuschen, um die Zwischenverpflegung einnehmen zu können.
Auf hübschem mit Heidelbeersträuchern gesäumten Pfad schritten wir anschliessend durch den herrlichen Lärchenwald der Baumgrenze entgegen. Auf einem Plateau befindet sich ein kleiner See, der dem oberhalb liegenden Berg den Namen gab. Heidi war fest mit Fotografieren beschäftigt. Es mussten ja auch Aufnahmen für diesen Bericht her! Als ich mich umdrehte, wusste ich auch, weshalb sie so eifrig war: Der kleine Bergsee, dahinter der Lärchenwald und im Hintergrund das oben tiefverschneite Dreigestirn Fletschhorn-Lagginhorn-Weissmies – welch ein schönes Bild, an welchem sich das Auge erfreute: Dies eignete sich als guten Hintergrund für Gruppenaufnahmen.
Nach einiger Zeit war unser Ziel erreicht. Ein grosser Sendemast und eine Helikopterlande-Plattform auf einem Berge sind zwar keine Zier, aber dafür bot uns das dazugehörende Sendehaus guten Schutz vor dem auch hier stark blasenden Wind. Genüsslich verzehrten wir an der Sonne sitzend unseren Proviant. Heidi packte zwei grosse Rüebli aus. Genau das hatte ich vergessen: So ein Rüebli auf einer Bergtour ist etwas Feines. Die Berge im Norden des Simplonpasses waren heute tief verschneit, als wir hochfuhren. Auf der Südseite und östlich des Reiches der Viertausender wie abgeschnitten kein Schnee! Zudem ist das Wallis hier ein ganz anderes, als das, was man sich sonsthin so gewohnt ist. Die Gegend hat einen südlichen Teint. Edi kannte sich hier aus und wies uns auf diverse Berggipfel und Furggis hin, welche wir erblickten. Kurz vor dem Abstieg entdeckte ich weit im Osten ein hohes, verschneites Gebirge. Ob es wohl das Bernina-Massiv ist? Leider konnte ich an keinem der Gipfel einen Biancograt ausmachen, sonst hätte ich es mit Bestimmtheit gewusst. Edi vermutete dasselbe wie ich: Bernina-Gruppe.
Mit einem erfrischenden Trunk liessen wir später den schönen Tag in einem der Beizli von Simplon-Dorf ausklingen. Ebenso herzlich wie der Empfang war der Abschied in Visp. Vielen Dank dir Edi für deine umsichtige Führung. Es war ein unvergesslicher Tag, auch wenn wir nicht auf einem Dreitausender gestanden sind. Ich komme gerne wieder einmal mit dir und mit euch anderen.