SAC Sektion Zermatt
Endlich Ferien!
Korsika – das war unser Ziel in diesem Herbst. Der Treffpunkt war um 7.30 Uhr in Visp. Urs und Dominik holten uns ab und gemeinsam starteten wir über den Simplon via Livorno in unsere Reise.
Nach 5 Stunden Autofahrt und 4 Stunden auf der Fähre kamen wir dann bei Regen in Bastia an. Noch 2 Stunden Autofahrt, dann erreichten wir endlich unser Hotel in Solenzara, wo wir dann unseren Reisetag bei einem gemütlichen und typisch korsischen Abendessen ausklingen lassen konnten.
Regen und Wolken waren verschwunden und wir um 8.30 Uhr schon unterwegs in Richtung Norden. Unser Sektor hiess «Chisa» und lag ganz in der Nähe von unserem Hotel.
Der Zustieg war gut markiert und es war kaum zu glauben – wir waren alleine, was für ein Luxus – und so blieb es den ganzen Tag!
Wir hatten alles was das Kletterherz begehrt, super Fels, schöne Plattenkletterei, Routen in allen Kategorien und dabei unsere Ruhe!
Ein fantastischer und perfekter Einstiegstag, den wir gemütlich und zufrieden in unserem Hotelgarten beendeten.
«Das Kletterluder»
Unser heutiges Ziel ist das Bavella-Massiv. Ein ganz eindrücklich schönes Klettergebiet an der Ostseite der Insel. Auf einer kurvenreichen Strasse geht’s hinauf zum Col de Bavella (1218 M ü.M). Es gilt nicht allzu schnell zu fahren. Immer wieder trifft man auf Ziegen, Schafe, Schweine (nein, leider keine Wildschweine). Die Korsen nehmen es mit den Verkehrsregeln nicht so genau. Oben bietet sich uns eine prächtige Aussicht auf die imposanten Granitfelsen.
Die ersten Routen zum Aufwärmen und dann geht’s zur Sache. Inzwischen kriegen wir Besuch von einer jungen Dame, die uns ein wenig zuschaut. Dann die Frage, ob sie auch eine Route klettern dürfe. So ganz traue ich der Sache nicht, denn sie kommt da in Stiefeletten und engen Jeans angerauscht. Schliesslich packt sie doch noch die Kletterfinken aus und Dominik stellt sich als Sichernder zur Verfügung. Und so klettert das Girl eine Seillänge mit. Aber so schnell wie sie auftauchte, so schnell ist sie wieder weg. Vor allem für Dominik ist das ärgerlich. Auf einmal läuft’s bei ihm überhaupt nicht mehr. Vielleicht sind seine Gedanken zu sehr bei der jungen Melanie, oder er hat einen schlechten Tag erwischt!
Jetzt wagen wir uns an längere Routen. Genuss pur. Richtiges Plaisir-Klettern. Griffiger Fels mit Rissen, die sich die ganze Wand durchziehen. Dazu noch perfekt abgesichert. Was will man mehr.
3. Klettertag - «Blutige Wand»!
Wie gewohnt beginnt unser Tag mit ausgiebigem Frühstück und toller Morgenstimmung.
Heute geht’s Südwärts ins «Conca» Klettergebiet. Bereits die Fahrt an der malerischen Küstenstrasse entlang lässt die Ferienstimmung so richtig aufleben. Im «Conca» Gebiet angekommen – nach 1000 Serpentinen und Annette natürlich im Vordersitz – stellen wir fest, dass die Wände uns alleine gehören. Den Blick über die Landschaft schweifend mit Aussicht auf die Buchten und das Meer verspricht Unvergessliches. Schnell haben wir uns im '3em Secteur' eingerichtet. Urs fädelt ungeniert in die 6b+ ein, meistert sie bravurös und ich – mit noch immer havariertem Selbstvertrauen – mache mich an den Nachstieg. Bereits bei der ersten Wandberührung stelle ich fest, dass dieser Lime Stone (Kalkstein) Balsam für meine geschundenen Fingerspitzen ist. Aber wenn ich so hoch schaue...? Wellness wird das sicher nicht. Kaum gedacht hänge ich mitten drin. Nach ein paar kräftigen Zügen habe ich die Schlüsselstelle bezwungen, und leider jedoch damit auch meine Unterarme … Egal, denn für mein Ego war’s wichtig! Das Duo Annette und Michel rackert sich durch die 5er Routen und – weiss Gott warum – Urs macht sich an in die 6c+ ran. Sofort ist mir klar, das meine schlechte Fussarbeit zuvor wohl nicht Hilfreich war. Knapp hat’s Urs geschafft und nun komm ich zum Handkuss. Im Beginn des Überhangs kann ich mit einem Boulder Zug was retten, aber dann baumle ich auch bereits im Seil. Aha, die Sache wird persönlich. Doch trotz Kampf und Gloria kriege ich’s nicht hin. Wieder einmal muss ich mich geschlagen geben. Wieder am Boden versucht sich Michel an dieser Route. Er kämpft wie ein Löwe an derselben Stelle wie ich zuvor. Ich staune wie viel Power Michel hat! Leider gelingt es ihm dennoch nicht. Da noch zwei Expressschlingen oben sind, wage ich einen 2. Versuch. Voll Motivation bin ich wieder am Schlüsselpunkt. Natürlich haut’s mich sofort raus, was hab ich mir da bloss eingebildet. Im Gurtzeug baumelnd sehe ich plötzlich Blutspuren am Fels. Michel hat Wort wörtlich bis aufs Blut gekämpft, sogar die Expressschlinge hat Blutspritzer abgekriegt! Hätte er was gesagt? Nein natürlich nicht. Tja Urs musste dann die Route nochmals klettern um alles Material zu holen.
Währenddessen stürzt sich Annette todesmutig in den Vorstieg und knackt ihre Route einwandfrei. So viel Ego-boost verleiht Kräfte und eine zweite Route wird in Angriff genommen. Mit viel Kommentar geht’s bis in den Riss und dann, oje, der grösste Feind aller Kletterer lauert da auf sie. Rien ne va plus, alles Selbstvertrauen geht dahin und man steht da wie ein Esel am Berg. Es scheint, mein gestriger Schatten hat nun Annette erwischt. Wie auch immer, sie nimmt’s mit Humor, denn es ist ja der 3. Tag, was das auch immer heissen mag. Bald ist mir ihre Aussage klar, denn viel Energie ist nach der Mittagspause nicht mehr vorhanden. Frühzeitig geht’s zurück und alle freuen sich auf den Hotelpool und das Bier! Wie das nicht schon Wohltat genug ist, verwöhnt uns Annette mit einer tollen Sportmassage. Natürlich am Pool mit Meerblick, what else!
Oje, wie schon von Meteo prophezeit, heute war Regen angesagt! Aber dafür gibt es auf Korsika genug Alternativen. Mit dem Klettermaterial im Kofferraum starteten wir via Porto Vecchio nach Bonifacio, ein historischer Ort im Süden der Insel, eine Festung die auf einem Felsen gebaut wurde.
Der Dorfrundgang war interessant, aber leider regnete es immer noch, also improvisierten wir weiterhin unser Schlechtwetterprogramm und fuhren weiter ins Landesinnere bis nach Propriano, wo wir dann im Hafen zu Mittag assen.
Die Heimfahrt über den Col Bavella verlief teilweise im Nebel, sodass wir das Klettern endgültig aufgaben und auf den nächsten Tag verschoben und ins Hotel zurück fuhren.
Oberhalb von Solenzara befindet sich am Mt. Sartu ein feines Klettergebiet, dass man über einen längeren Fussmarsch erreicht.
Oben angelangt hat man ein tolles Panorama aufs Meer und die Umgebung. Das Gebiet bietet interessante Routen für jeden an. Nach kurzen Einklettern wagen wir uns an eine luftige Felskante mit schöner Reibungskletterei. Daneben probiert Urs noch eine 7a. Nach einigen Versuchen schafft er es und es gelingt ihm der Durchstieg! Chapeau Urs.
Wieder zurück im Hotel gönnen wir uns eine Massage im Whirlpool. Das haben wir auch redlich verdient nach der Anstrengung. Und danach zum Nachtessen noch etwas für die Seele: „Cap Corse“ als Einstieg. Ein Kräuterlikör, der es uns allen angetan hat …
Spass am Fels
Eigentlich wäre die Revanche im «Bavella» Klettergebiet geplant gewesen. Doch da starker Wind prognostiziert ist nehmen wir die Felsen einen Stock tiefer im «A Vacca» in Angriff. Kaum sind unsere Rücksäcke am Boden, strömt ein, dem Anschein nach, nicht versiegender Strom halbwüchsiger Kids aus dem Unterholz. Aus mit der Ruhe. Nun ja, sie überlassen uns zumindest die 6er Routen und diese sind sehr spassig. Tolle Ausbuchtungen, Untergriffe und unglaublich griffiger Felsen, was meine Fingerspitzen endgültig ruiniert!. Alle haben ihren Spass, aber auch mit den Kids ist’s ok (welche natürlich auch Schweizer sind).
Die Aussicht auf die umliegenden schroffen Felsen lässt unsere Phantasie wagemutige neue Routen erfinden. Uns scheint’s hier gibt’s unendliche Möglichkeiten. Wir klettern als ob’s das letzte Mal ist, was ja auch stimmt. Michel, unser Panzer, steigt im Vorstieg in eine 6b ein. Unvermittelt produziert er einen beinahe Salto rückwärts und fällt ins Seil. Annette war zum Glück parat und konnte ihn locker abfangen. Nur beim Topropeversuch verliert Annette die Bodenhaftung, was Urs und mir ein Grinsen beschert. «Mach ich was falsch?» fragt sie ernsthaft. «Musst mehr Pizzen essen» kommt’s prompt von Urs zurück.
Wie auch immer, Pizza nahm sie am Abend dennoch nicht. Zum Glück ist aber das Apéro-Spendieren auch geregelt, denn heute geht’s auf Urs und mich. Wie gehabt gehört sich das, wenn man den Expressgriff nimmt. Den Abend lassen wir standardmässig ausklingen und geniessen noch die tolle Abendstimmung. Morgen geht’s heim, was für ein süss-saurer Gedanke. Merci Urs, war eine super Woche!