SAC Sektion Zermatt
Den 13. gingen wir mit Valentin Jentsch durch’s Gebirg. Das Breithorn war unser Ziel, welches wir über die Normalroute bestiegen. Für die meisten Teilnehmer unserer Expedition war dies auch eine ganz normale Tour, doch nicht für mich: Es war meine erste. Da ich als Neumitglied den Auftrag erhielt, den Tourenbericht zu verfassen, versuche ich nun, das für mich so besondere Erlebnis aus eigener Perspektive wiederzugeben.
Treffpunkt war 8.00 Uhr bei der Talstation des Matterhorn-Expresses. Dort kam ich etwas verfrüht an, erblickte aber bei den hölzernen Bänken vor der Station bereits drei Damen und einen Herrn in ähnlicher Montur wie meiner. Kurzerhand gesellte ich mich zu ihnen und tatsächlich waren auch sie Mitglieder des Alpenklubs. Sie stellten sich freundlich als Beatrice, Rita, Annette und Bernhard vor. Mit ihnen werde ich wohl Schritt halten können, dachte ich mir zuerst. Als ich aber ihren Gesprächen lauschte über Erlebnisse auf Bergen, von denen ich hier nicht einmal fehlerfrei die Namen niederschreiben könnte, stiegen erste Zweifel in mir auf. Mit der Zeit stiessen immer mehr Leute zu unserer Gruppe dazu, welche sich alle bereits zu kennen schienen. Sie waren zu mir und Emil, dem sympathischen Ostschweizer, der an dem Tag auch seine erste Tour mit dem SAC ausführte, sehr freundlich und begrüssten uns offenherzig. Valentin Jentsch, der Tourenleiter, trat als letzter in unseren Kreis. Nun war es Zeit aufzubrechen. Unsere 13-köpfige Gruppe nahm zwei Gondeln in ihren Besitz, wobei wir noch nicht einmal vollzählig waren. Bei der Station Furi kamen zwei weitere Teilnehmerinnen hinzu, die jungen Schwestern Janine und Alice Biner. Um sich an die dünne Luft auf dem Breithorn zu gewöhnen, verbrachten diese die Nacht in ihrem Elternhaus auf dem Furi. Endlich waren wir komplett und konnten die Fahrt auf das Kleine Matterhorn geniessen.
Oben angekommen erwartete uns ein atemberaubendes Panorama schneeweisser Gipfel überspannt von einem Himmelszelt, dessen strahlend blaue Farbe ich kaum in Worte fassen kann. Nicht eine Wolke liess sich blicken, nicht ein laues Lüftchen störte uns hier oben! Als ich die Pracht der Natur verträumt auf mich einwirken liess, stellte ich mit Entsetzen fest, den Anschluss an die Gruppe verloren zu haben. So war ich froh, dass wir uns noch auf der Piste mit Seilen aneinanderbanden. Als wir alle vier Seilschaften gebildet haben, zogen wir los, um den Gletscher zu überqueren. Die heissen Strahlen der Sonne und die schier endlose Weite dieser Einöde erweckten in mir das Bild von unseren Seilschaften als kleinen Karawanen, welche durch eine eisige Wüste zogen. Einzig die Einsamkeit der Wüste hatten wir zu missen, hunderte Alpinisten pilgerten an dem Tag auf das Breithorn. Wer kann es ihnen übel nehmen? Der Berg ist nah, die Verhältnisse, ihn zu besteigen, perfekt. Am Fusse des Berges hielten wir kurz Rast, um die Steigeisen zu montieren. Glücklicherweise kontrollierte der jeweilige Seilführer noch seine Truppe, denn prompt brachte ich es zu Stande, meine Steigeisen verkehrt herum anzuziehen. Lächelnd tadelte mich Valentin einen Schluffi und stellte mich richtig in meine stacheligen Schuhe. Auch der Routinier Urs Lauber entdeckte einige Unstimmigkeiten in meiner Ausrüstung und wies mich freundlich darauf hin. Es sei wichtig, so Lauber, solche Fehler von Beginn an auszumerzen, damit sich keine schlechten Gewohnheiten einnisten. Der Aufstieg erwies sich als kurz und bereitete dank der Steigeisen keine weiteren Schwierigkeiten. Das letzte Stück bewältigten wir auf dem Grat des Breithorns. Als ich dabei meinen Blick auf den gut 2000 Meter tiefer liegenden Gornergletscher schweifen liess, gingen mir aber auf gut Walliserdeutsch „gehörig die Grimen“. Nach der Gratwanderung erreichten wir unter gegenseitigen Gratulationen den Gipfel des Breithorns, meines ersten 4000ers. Lässig gab Urs Preis, bereits zum 159. Male auf dem Breithorn gewesen zu sein und als ich ihn am Tag darauf nochmals traf, war er schon wieder oben!
Nachdem wir die Aussicht auf die schneeverhüllten Dächer der Alpen und unsere Sandwiches reichlich genossen haben, machten wir uns auf den Rückweg. Doch vorerst gab es noch ein kleines Gruppenfoto zur Erinnerung an die für mich ohnehin unvergessliche Tour. Leider konnten wir dies nicht neben einem Gipfelkreuz machen, da gar keines vorhanden war. Die Freidenker scheinen vor uns oben gewesen zu sein! Beim Abstieg bekamen wir wieder hilfreiche Instruktionen unserer Führer, so dass wir diesen problemlos durchführen konnten. Auf meinen Steigeisen kam ich mir vor wie eine kleine Eisenbahn, die mithilfe von Zahnrädern sicher ins Tal fährt. An einem Engpass mussten wir mit mehreren italienischen Berggängern kreuzen, was diese zum Warten zwang. Einer von ihnen verlor die Geduld und stiess laut einen Fluch aus. Sind solche Spannungen die Konsequenzen des Massentourismus? Diesen Gedanken nachsinnierend überquerten wir rasch den Gletscher und fanden uns bei der Station wieder. Glücklich über die unfallfreie Hochgebirgstour fuhren wir mit der Bahn vom Kleinen Matterhorn hinab ins Kleine Matterhorn, ein Restaurant in Zermatt. Müde aber zufrieden stiessen wir da auf unsere erste, dreissigste oder hundertneunundfünfzigste Breithornbesteigung an.
Der Erbauer und erfolgreiche Leiter des Hotel des Alpes, Ignaz Biner (1833-1917), galt vor Gästen und Einheimischen als angesehener Bergführer. Zahlreiche Gipfel hat er im In- und Ausland bezwungen, dazu zählen auch 300 Besteigungen des Breithorns. Dies verlieh ihm den Spitznamen Breithorn-Biner. Wird man auch Urs eines Tages den Breithorn-Lauber nennen?