SAC Sektion Zermatt
Nachdem die geplanten Touren aufs Nadelhorn und den Tödi infolge des nassen Sommers „ins Wasser gefallen waren“, wollte ich doch noch wenigstens einen höheren Gipfel bestiegen haben. Der Wetterbericht für den 31. August war gut und als Valentin noch einen zweiten Seilführer gefunden hatte, freute ich mich auf die Bergfahrt. Je mehr aber das geplante Datum näher rückte, umso schlechter wurde die Wetterprognose. Wenigstens war die Unterkunft in Hohsaas mit dem freundlichen Personal bereits ein kleines Highlight, konnte ich doch als Üsserschwyzer Saas–Grund vom Aargau aus nicht bereits um 7.20 Uhr erreichen wie die anderen. Am nächsten Tag zeigten sich überraschenderweise alle Gipfel frei von Wolken – darüber befand sich aber noch eine hochliegende Wolkendecke – dies liess die Hoffnung aufkommen, dass die Besteigung doch noch gelingen könnte.
Kurz vor 8 Uhr trafen Valentin Jentsch und seine Gruppe mit der ersten Bahn ein und sogleich machten wir uns auf den Weg. Die obgenannte Wolkendecke riss bald auf und schönes Wetter begann zu dominieren. Ein Geschenk des Himmels! Wenn das nur gut ging: Ein kleingewachsener Senior mit 73 Lenzen zusammmen mit viel jüngeren, grossgewachsenen Kameraden, dazu noch meist Wallisern. Im Grunde genommen hatte ich aber gewünscht, einmal mit Einheimischen zusammen unterwegs zu sein.
Nach dem Anseilen gings los; zuerst in den Gletscherkessel hinein und dann hinauf zum Durchschlupf, welcher zur Schulter des Berges und dann schlussendlich auf dessen Grat führt. Drei Stellen sind heikel: Die Rampe des Durchschlupfes, dann eine mächtige Spalte, die über eine schmale Schneebrücke gequert werden muss und weiter oben ein steiler Hang, wo man sich besser keinen Ausrutscher erlaubt, weil eben dieser Hang unten nicht ausläuft. „Da musst du dann beim Absteigen besonders vorsichtig sein“, dachte ich mir. Oben auf der Schulter angekommen, gönnten wir uns eine kurze Rast. Ja, der Berg ist nicht mehr derselbe wie in früheren Jahren, ich hatte denselben mehrere Male bestiegen. Damals war der Abstieg über den Gletscher noch problemlos. Infolge des Gletscherschwundes musste eine neue Route gefunden werden, was nicht ohne die oben beschriebenen ausgesetzten Stellen möglich war. Im Nachhinein erinnert mich die steile Schulter-Passage viel eher an die Besteigung des Grand Combin.
Ich bin es mir gewohnt, langsam, aber dafür in gleichmässigem Tempo empor zu steigen. So vermag ich es durchzuziehen. Für die beiden jungen Damen hinter mir schien der Aufstieg keine grosse Anstrengung zu sein, denn sie fanden noch die Kraft, sich dabei zu unterhalten. Bald lag der herrlich weisse Gipfelgrat im Sonnenlicht vor uns. Ein kalter Wind begann zu blasen. Oben angelangt freuten wir uns an der Rundsicht: Hinter dem Dürrenhorn schaute das Weisshorn hervor und auf der anderen Seite „posierte“ das Bietschhorn, nebst all den anderen Gipfeln, insbesondere von Mischabelgruppe und Monte-Rosagebiet.
Ein nun durchdringender Wind blies hier oben und von Italien her drückte eine hohe Wand aus Kumuluswolken herüber; sie begann langsam die Monte-Rosa-Gipfel einzuhüllen. Nach dem Gruppenfoto hiess es daher nur noch „embri“ (hinunter). Unterwegs schoss Urs noch ein Bildchen von uns im Abstieg. Dass ich dazu den Bericht schreiben würde, hatte ich noch nicht geahnt. Die Damen vor mir schlugen ein zügiges Tempo an und ich wollte es ihnen gleich tun; dabei dachte ich ans Skifahren. Eine Zeit lang ging alles gut, aber als die Spur ein Rechtsbiegung machte blieb eines meiner 12-Zack-Steigeisen im Harstschnee hängen und eh ichs mir versah, lag ich Kopf nach unten im Schnee. Danke Valentin und den beiden Damen, dass ihr mich gehalten habt! Zum Glück ist dies nicht an einer der ausgesetzten Stellen passiert. Was hat doch der weise König Salomo gesagt: „Hastige Füsse treten fehl.“ Etwas Gutes hatte der Sturz trotzdem: Er mahnte mich erneut, unten an der Schulter-Passage vorsichtig zu sein. Das ist dann auch, den Anweisungen der Seilführer gemäss Schritt für Schritt, gut gegangen. Das Wetter hatte gehalten und wir hatten insgesammt etwa fünf Stunden benötigt.
Danke Valentin, danke Urs, dass ihr euch die Mühe genommen habt, diese Tour durchzuführen und uns damit eine Freude zu bereiten. Beim Losseilen wurde ich dann von Valentin überraschenderweise angefragt, ob ich den Bericht über diese Tour abfassen würde. Nun, hier ist er!